6:18 Uhr. Die Sonne hat verschlafen
und versteckt sich noch hinter ein paar Wolken am Horizont. Das Morgenrot kündigt
aber schon ihr Kommen an. Alles blickt Richtung Sonne, um die ersten Strahlen
aufzufangen. Im Canyon ist es noch dunkel. Hinter dem grauen Schleier kann man
aber schon das Rot der Wände erahnen. Jetzt, das erste Aufblinzeln, wie wenn
man verschlafen unter der Bettdecke hervorschaut. Nochmal kurz untertauchen und
dann – aaaah. Nun ist sie nicht mehr aufzuhalten. Majestätisch erhebt sie
sich und wärmt mit den ersten Strahlen, die uns treffen. Ein wunderbarerer
Anblick. Aber das eigentliche Schauspiel beginnt ja hinter uns. Das Morgenlicht,
das sich die Canyonwände hinunterkämpft, lange Schatten werfend. Es beginnt am
ebenen Canyon-Rand. Ein heller Saum. Schicht um Schicht wird präsentiert, jeder
ein Schritt zurück in der Geschichte der Erde, mit einem anderen Farbton
dargestellt, jäh abgeschnitten von dunklem Schatten. Im Zentrum des Canyon, wo
tief unten an manchen Stellen der Colorado River als scheinbar kleiner Bach zu
sehen ist, findet das Sonnenlicht schneller einen Weg hinein. Orange-rot
leuchten Teile der – wie soll man sie bezeichnen – Bergketten oder besser
Talketten. Langsam werden auch die Ausmaße des Canyons bewusst. Es ist
unbeschreiblich. Nicht wirklich in Worte zu fassen. Der Name Grand Canyon ist
nicht unberechtigt. Das Beste dran ist, dass er 50 Meter von Rand entfernt
eigentlich gar nicht existiert. Ein nicht allzu dichter Wald in einer weiten
Ebene. Nirgends eine Ankündigung. Plötzlich dieser gewaltige Abgrund und diese
Farben. Natürlich kann man die Größe in Zahlen fassen: 400.000 ha groß ist
das Gebiet des Grand Canyon, fast 450 Kilometer am Colorado River entlang, im
Durchschnitt 1600 m tief, an der engsten Stelle 800 Meter, an der breitesten 29
km breit. Aber all das sind nur Zahlen. Sie beschreiben ihn nicht wirklich.
Sicher ist nur, er ist riesig und man selbst nur klein winzig.
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